Fasziniert und verwirrt sitzen meine Kollegin und ich hinter der Einwegscheibe und beobachten Dagmar bei ihrer Arbeit mit einer Frau, schätzungsweise Anfang dreißig.
Ihr Anliegen hat sie wenige Minuten zuvor klar formuliert:
„Immer, wenn ich mich überfordert fühle, werde ich gegenüber meinen beiden Kindern tätlich. Ich schlage sie. Besonders den Großen. Ihm gebe ich die Schuld an meinem Unvermögen, obwohl er erst neun Jahre alt ist. Hinterher tut es mir leid, und ich entschuldige mich. Doch inzwischen schaut er nur traurig weg und zieht sich zusammen mit seiner siebenjährigen Schwester in das Kinderzimmer zurück. Ich will lernen, mich zu beherrschen und meine Kinder nicht mehr schlagen.“
Dagmar nickt, lächelt. Nach einer uns unendlich erscheinenden Pause fragt sie: „Was für Bettwäsche mögen Sie am liebsten?“
Die Frau schaut Dagmar irritiert an, so, als zweifle sie an deren Verstand. Dann sagt sie mit Nachdruck: „Ich will mit Ihnen arbeiten, damit ich meine Kinder nicht mehr schlage. Diese Auflage habe ich vom Jugendamt, weil mein Sohn bei den letzten Schlägen unübersehbare Hämatome hatte. Die wurden in der Schule bemerkt und angezeigt. Also bitte: Was kann ich tun?“
Welche Absicht verfolgt Dagmar, fragen wir uns. Doch bevor wir eine mögliche Antwort finden, spricht sie weiter: „Frau Buge, es ist mir sehr wichtig, dass Sie meine Frage beantworten. Was ist Ihre Lieblingsbettwäsche?“
Frau Buge habe von Dagmar bisher viel Gutes gehört. Darum wolle sie von ihr beraten werden und Tipps bekommen, meint sie zunehmend verunsichert.
Dann entschließt sie sich zu einer Antwort: „Am liebsten habe ich Biber-Bettwäsche in hellen Tönen mit Blumenmuster.“
„Wo kaufen Sie Ihre Bettwäsche?“, ist die nächste Frage. „Meist in Katalogen“, antwortet Frau Buge.
Es ist förmlich zu spüren, wie sie sich mit den Antworten abquält. „Auch wenn ich Sie nach Ihrer Bettwäsche so ausführlich frage, es ist für mich ein wichtiges Thema, können Sie bei unserem nächsten Treffen die Kataloge mitbringen, in denen Sie Bettwäsche bestellen?“
„Wenn Sie es wollen, dann bringe ich die Kataloge mit.“
„Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen und für Ihre Geduld mit mir.“ Damit verabschiedet Dagmar Frau Buge, die kopfschüttelnd das Zimmer verlässt.
Bei unserem nächsten Treffen mit Dagmar ist unsere Neugier riesig. Wir wollen wissen, wie sich der Prozess entwickelt hat und ob es Frau Buge gelungen ist, ihre Affekte zu kontrollieren.
Dagmar lächelt ihr unübertreffliches freundliches Lächeln und meint: „Wir haben noch fünf Gespräche miteinander gehabt. Zum zweiten Gespräch brachte Frau Buge tatsächlich zwei Kataloge mit. Gemeinsam schauten wir uns die Bettwäsche an. Sie wählte aus, was sie demnächst bestellen würde.
Zum Schluss sagte ich ihr: „Im Knast gibt es nur karierte Bettwäsche, rot- oder blau kariert, einfacher Linon. Und als Zusatz: Wenn Sie ihre Kinder weiterhin schlagen, dann landen Sie früher oder später im Knast, und das mit karierter Bettwäsche.“