Obwohl ich unmittelbar beteiligt war, kann ich mich an meine Geburt natürlich nicht erinnern. Von den Ereignissen an jenem Tag im Frühjahr 1949 erzählten meine Eltern aber immer wieder gerne, sodass ich – aus erster Quelle gut unterrichtet – darüber berichten kann, als handle es sich um eigene Erinnerungen.
Wenn es nach dem Wunsch meiner Mutter gegangen wäre, dann wäre ich an ihrem Geburtstag, dem 30. April, auf die Welt gekommen. Aber die Wünsche einer werdenden Mutter gehen nicht immer in Erfüllung. Ich ließ mir jedenfalls bis zum 1. Mai Zeit, um anzukündigen, dass ich nun bereit sei, das Licht der Welt zu erblicken. Offensichtlich wollte ich künftig eine eigene Geburtstagsfeier haben. Die Geburt sollte zu Hause stattfinden. Privathaushalte verfügten 1949 noch nicht über ein Telefon, und in Kerpen gab es damals auch keine öffentliche Fernsprechzelle. Als gegen Abend bei meiner Mutter die Wehen einsetzten, schwang mein Vater sich deshalb aufs Fahrrad, um im fünf Kilometer entfernten Nachbarort Frau Koll, die Hebamme, zu informieren. Bei seiner Ankunft nahm Frau Koll gerade ein Bad. Mein Vater ließ ihr mitteilen, dass es an der Zeit sei, in der Hahnenstraße in Kerpen Geburtshilfe zu leisten, und schickte sich an, sofort wieder zurückzufahren, denn er war in Sorge um meine Mutter und wollte sie nicht länger als nötig allein lassen. Inzwischen war es aber dunkel geworden. Frau Koll hatte Angst, allein über die einsame Landstraße zu radeln und wies meinen Vater an, so lange zu warten, bis sie der Badewanne entstiegen und startbereit sei. Als sie sich nach einer für meinen Vater nicht enden wollenden Wartezeit schließlich in Bewegung setzen konnten, trat er kräftig in die Pedalen. Frau Koll, die aufgrund ihres Alters schnell aus der Puste geriet und dem Fahrstil meines Vaters nicht gewachsen war, forderte ihn ständig auf, das Tempo zu drosseln, damit sie in seiner Nähe bleiben konnte. Obwohl sich die Fahrt für meinen Vater schier endlos hinzog, konnte er bei der Rückkehr nach Hause beruhigt sein. Ich hatte auf Frau Koll gewartet und kam mit ihrer Hilfe am 2. Mai, einem Montag, morgens um 6.45 Uhr auf die Welt. Diese frühe Morgenstunde wirkte sich allerdings nicht prägend auf mein Leben aus. Eine Frühaufsteherin war ich nie. Früh aufgestanden bin ich immer nur, weil die Pflicht es verlangte und nicht, weil es mich danach drängte, dem Bett zu entsteigen, um einen möglichst langen Tag erleben zu können.