Autsch! Ein schmerzhafter Tritt ans Schienbein brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Mein Bruder Berthold sah mich neugierig an. „Du hast mal wieder geträumt, am helllichten Tag. Gib es zu.“
„Lass mich in Ruhe.“ Missmutig saß ich ab und band den Braunen an einen Baum. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir schon am Breizbach angekommen waren, der die Lehen derer von Buttlar und von Lengsfeld trennte. Wir waren demnach weniger als zwei Reitstunden entfernt von unserer heimatlichen Burg, aber wir brauchten unbedingt eine Rast. Meine Blase drückte schon lange und ich erleichterte mich ins Gebüsch. Etwas knackte und raschelte direkt vor mir. Erschreckt machte ich, dass ich fertig wurde.
Da, schon wieder! Ich zog mein langes Messer und gab Berthold ein Zeichen. Er spannte den kurzen Bogen und näherte sich langsam dem Gebüsch. Ein weiteres Knacken. Langsam schlich ich um das dichte Gestrüpp herum, das Messer fest gepackt. Da verbarg sich jemand im Unterholz. Ich nahm meinen Mut zusammen und rief: „Wer da? Komm heraus, sonst stoße ich zu.“
Meine Stimme klang erstaunlich fest, aber meine Hände zitterten. „Heraus da!“
Ein kleines, dreckiges Gesicht schaute durch weit aufgerissene Augen hinter dem Busch hervor. Erleichtert atmete ich aus.
„Es ist gefährlich, sich in einem Busch zu verstecken, beinahe hätte ich dich jetzt erstochen.“
Ich zog einen Jungen am Kragen seiner schmutzigen Tunika aus dem Dickicht. Die Knechte lachten schallend. Berthold steckte den Bogen wieder in die Satteltasche und ging auf den Jungen zu. „Ja, wen haben wir denn da? Eine leichte Beute. Vielleicht sollten wir dich am Spieß rösten.“
Tränen rannen dem Jungen über das schmutzige Gesicht und er ließ sich auf den Boden sinken. Der scharfe Geruch von Urin stieg mir in die Nase.
„Du musst keine Angst haben vor dem da. Keiner will dir was tun.“ Verärgert stieß ich Berthold in die Seite und stellte das Kind wieder auf die Beine. Der Junge schluchzte auf und sah mich furchtsam an.
„Wisch dir erst mal das Gesicht ab, so dass wir sehen können, mit wem wir es zu tun haben.“ Ich hielt ihm mein Schnupftuch entgegen.
Erneut raschelte es im Dickicht. Blitzschnell griff Berthold ins Unterholz und beförderte ein weiteres Kind zum Vorschein. Das kleine Mädchen trug nur schmutzige Lumpen am dürren Leib, die von einem Hanfseil notdürftig zusammengehalten wurden. Große, verschreckte Augen in einem mageren Gesicht sahen uns an.
„Die Ehre als Schildknappe verlangt doch …”, Berthold sprach nicht weiter.
„Ich weiß, den Schutz der Schutzbedürftigen”, vollendete ich den Satz.