Die Eingangstüren, zwei große Flügeltüren mit geschwungenen Beschlägen, öffneten sich in jener perfekten Harmonie, die die Diener tausendfach übten. Der Luftzug ließ die Flammen der Kerzen flackern, neue Gäste traten in den Salon.
Es war ein Pärchen, ein junger Mann und eine Dame. Sie schritten durch das Spalier der Beobachter bis zum Fürsten. Der Herr verbeugte sich vorschriftsmäßig, aber unbeholfen vor dem Kurfürsten. Die Dame fiel in einen vollendeten Hofknicks. Wolf Dietrich sah es nur aus dem Augenwinkel und behielt wie gewohnt die unbewegte Miene, aber sein Herz schlug augenblicklich schneller. Endlich! Viel zu lange hatte er sie nicht gesehen, obwohl er seit Wochen alles versuchte, jede Gelegenheit wahrnahm, dorthin zu gehen, wo sie hätte auftauchen können. Seit Wochen war ihm nicht vergönnt gewesen, ihr Lächeln zu sehen, geschweige denn, ihre Hand zu küssen. Von anderen Dingen zu träumen, verbot er sich.
»Soso, die Schönings in trauter Harmonie«, murmelte sein Gegenüber, ein hagerer Freiherr, mit dem er sich bis vor einem Augenblick über die Jagderfolge des Kurfürsten unterhalten hatte. »Hat sich der junge Schöning doch einmal aufgerafft, seine trauernde Cousine auszuführen.«
Wolf Dietrich murmelte eine Antwort und tat, als beachte er die Neuankömmlinge nicht, aber er beobachtete sie, halb abgewandt, sehr genau. Luise lächelte nach allen Seiten, nahm den einen oder anderen Handkuss entgegen und ließ wenige Augenblicke später ihren Cousin stehen. Wie selbstverständlich bewegte sie sich zwischen den Damen und Herren, die herumstanden und redeten, plauderte mit diesem und jenem, ließ sich von den Herren die Hand küssen. Den Kopf hielt sie zur Seite geneigt, die Lippen verheißungsvoll leicht geöffnet. Sie besaß eine solche Grazie, dass manch einer mitten in der geflüsterten Unterhaltung innehielt und den Kopf wandte, um sie zu betrachten. Jeder sah, dass diese Frau etwas Besonderes war. Wer hätte das besser gewusst als Wolf Dietrich!
Frauen gab es am sächsischen Hof wie Sand am Meer, und eine jede versuchte Aufmerksamkeit zu erringen. Je höher die Gönner und Bekannten in der Rangordnung des Hofes standen, umso größer die Brosamen des Glücks und der goldene Schein der Taler, die auf sie entfielen.
Wolf Dietrich wandte sich ab. Er wollte sich nicht dabei ertappen lassen, wie er Luise von Rechenberg hinterhersah. Jeder hier beobachtete jeden, und er musste aufpassen, dass niemand seine Pläne begriff. Diese Frau begehrte er, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Ihr Vater war der Anlass für ihre kurze Verbindung gewesen. Vor zwei Jahren hatte sie ihn um Visite gebeten, sich ihm zu Füßen geworfen und ihn angefleht, den Vater zu befreien, ohne den sie hier in Dresden nichts wert sei. »Aber, aber«, hatte er gesagt, »Eure Schönheit braucht keinen Beschützer, sie spricht für sich, aber wie viel wäret Ihr bereit, für die Befreiung Eures Vaters zu geben?« Sie hatte nach ihrem Beutel gegriffen, aber er hatte gemurmelt: »Wenn Ihr heute Nacht die Visite erwidert, brauche ich keine Taler von Euch.«