Obwohl wir gut vorankamen, brauchten wir doch mehr als zwei Tage, bis wir die Stadt Frankfurt erreichten. Hier wohnte Radegundis` ehemaliger Verlobter. Die Erinnerung an mein süßes Weib kam zurück und mein Herz wurde schwer. Ich hatte mit ihr eine Pilgerfahrt machen wollen, hatte sie aber für immer verloren. Eine einzelne Träne rann mir über die Wange, die ich entschlossen wegwischte. Es war nicht zu ändern. Ich war entschlossen, nun meinen Pflichten gegenüber der Familie nachzukommen, denn alles andere wäre unehrenhaft gewesen.
Auf der Kurzen Hessen kamen wir gut voran. Bisher hatte es noch nicht geschneit und die Altstraße sah gepflegt und gut befestigt aus. Auch hier wurde Zoll erhoben und ich musste für die kurze Strecke zwei Pfennige bezahlen, damit wir die Straße benutzen durften. Der reine Wucher!
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass ich so schnell wie möglich nach Hause musste. Deshalb klopften wir nicht auf Burg Romrod an, deren Familie mit meiner gut bekannt war, und umgingen auch Hersfeld. Bald erreichten wir den äußeren Gürtel des Eherinforsts. Ich musste lange suchen, bis ich die Markierungen entdeckte, die Meister Wigant und ich vor Jahren angebracht hatten. Sie waren verwittert und mussten unbedingt erneuert werden. Trotzdem fand ich den Weg durch den winterlichen Wald.
Es hatte angefangen zu schneien. Sanfte Flocken fielen vom Himmel und legten sich auf die Zweige und Äste. Im Wald war es still. Mein Herz klopfte heftig, als der Burgfried von Buchenau in Sicht kam. Mit einem Freudenschrei gab ich dem Braunen die Sporen und er preschte los. An der Eitra machte ich Halt, damit meine Gefährten aufholen konnten, und gemeinsam ritten wir über die hölzerne Brücke ins Dorf. Ich konnte mich vor Ungeduld nicht zügeln, sprang vom Pferd und rannte so schnell ich konnte zur Zugbrücke. Sie war heraufgezogen und das Tor zum Burghof geschlossen, dabei war es erst früher Nachmittag! Trotz des dichten Schneefalles riss ich mir die Fellkappe vom Kopf und rief laut. Da nichts geschah, schrie ich noch lauter.
„Hermann, Mutter, Onkel Dietmar! Ich bin es, Erkenbert, ich bin wieder da. Lasst mich rein!“
Noch immer regte sich niemand auf der Burgmauer. Betreten stand ich da, nahm kurzentschlossen mein Schwert und schlug damit gegen den Schild. Der Lärm müsste eigentlich Tote aufwecken, aber trotzdem erschien kein einziger Knecht auf den Zinnen. „Da stimmt doch was nicht, irgendetwas muss vorgefallen sein.“ Das Herz schlug mir bis zur Brust. Hans verzog beklommen die Mundwinkel, hektische rote Flecken erschienen auf seinem Gesicht. „Die Dorfbewohner müssten wissen, was los ist“, sagte er mit zitternder Stimme.
Hastig rannte ich zum nächstbesten Haus im Dorf, das des Sattlers, und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Des Sattlers Weib öffnete und sah mich ängstlich an.
„Erkennst du mich nicht, Weib? Ich bin Knappe Erkenbert von der Burg.“
Sie starrte mich ungläubig an, und endlich blitzte es in ihren Augen auf. „Vadder, komm schnell, du glaubst nicht, wer da ist. Der verlorengegangene Herr Erkenbert steht vor unserer Tür!“
Der alte Sattler humpelte auf mich zu, starrte mich aus kurzsichtigen Augen an und schlug dann die Hände zusammen. „Gesegnet sei der Herr im Himmel! Keiner hat mit Euch gerechnet. Gerade in dieser schweren Stunde steht Ihr eurer Familie bei. Es ist ein Wunder!“