Georg Rehnikel ließ den Brief sinken. »Es ist eine Einladung zur Verlobung.« Erstaunen klang in seiner Stimme. Magdalene am Spülstein drehte sich um. »Wer verlobt sich?«, sie trocknete die Hände an ihrer Schürze und lugte neugierig über seine Schulter. »Elisabeth? Meine Base? Dann ist es also doch wahr. Ich habe es für ein Gerücht gehalten.«
Sie waren allein. Die Magd und die Kinder waren hinaufgegangen, Lichtenberg zum Schlafen in seine Kammer geschlurft. Georg saß noch auf seinem Platz. Die Reste des Abendessens standen auf dem Tisch, das Brett mit dem Schinken und ein halber Laib Brot, daneben die Becher. An gewöhnlichen Tagen aßen sie in der Küche, weil dort das Leben der Familie pulsierte, das Feuer im Herd knisterte, ein Topf Suppe köchelte, die Gespräche von nebenan aus dem Spezereienladen zu hören waren, die kleine Grete am Rockzipfel ihrer Schwester Susanne zupfte, das Krähen des achtjährigen Hans über den Hof zu hören war und wohin auch sonst alle zuerst gingen, wenn sie etwas suchten. Jetzt war es still, der Himmel verdunkelt, die Stadt ging schlafen. Ein paar Handgriffe noch, dann würden auch die Rehnikels schlafen gehen.
Magdalene schüttelte den Kopf. »Da steht, Elisabeth will sich morgen nach der Frühmesse verloben. Eigentlich dachte ich, die Leute reden dummes Zeug, weil vor drei Wochen noch kein Mensch etwas von einem Verehrer gewusst hat. Aber jetzt muss ich es wohl glauben.« Georg seufzte. »Ich verstehe das nicht, Lenchen. Entweder müssen sie heiraten, weil etwas Kleines unterwegs ist. Aber das halte ich für ausgeschlossen, wenn es stimmt, dass sie sich vor drei Wochen noch nicht einmal kannten. Oder dein Onkel hat einen Goldesel für seine Tochter gefunden und will ihn so schnell wie möglich festbinden. Aber wenn der Mann reich wäre, hätte es sich herumgesprochen.«
»Man sagt, er wäre Sekretär bei Fürst Leopold von Anhalt-Dessau. Das ist keine bessere Partie als irgendein brandenburgischer Hof-Jurist, und so einen kann sie jederzeit kriegen. Sie ist erst zweiundzwanzig.«
»In Summe hört sich das merkwürdig an«, Georg zog den Bierkrug zu sich und trank die Neige aus. »Wieso hat dein Onkel den ausgesucht? Er wird kaum genügend Zeit gehabt haben, sich über den Mann zu informieren. Er ist doch sonst so vorsichtig.«
Magdalene schlug das Brot in ein Tuch und legte es in den Tonkrug. Dann streckte sie ihrem Mann die Hand hin. »Wir werden uns den Kerl morgen ansehen. Ich bin sicher, dass wir merken, wo der Hase im Pfeffer liegt. Wenn mein Onkel einen Fehler gemacht hat, werde ich kein Blatt vor den Mund nehmen.« Ein Lächeln stieg in ihre Augenwinkel. »Jetzt lass uns schlafen gehen, ich muss mich dringend bei dir aufwärmen.«