Walter Burkard

Wohl der ungewöhnlichste Autor, der jemals bei unserem Verlag veröffentlicht hat: Walter Burkard, bereits vor über 34 Jahren verstorben. Sein Roman allerdings, ein Lebenswerk, wird 2023 geboren. Dies ist Willi Dittrich zu verdanken, der sein Schüler war und gemeinsam mit Walter Burkards Töchtern für die Veröffentlichung dieses Meisterwerks gesorgt hat. Das Buch erscheint im Herbst 2023 bei Oeverbos.
Jetzt hob Charlotte den Kopf; sie glaubte, aus dem Innern des Hauses einen unbestimmten Laut vernommen zu haben. Mit ängstlicher Gespanntheit blickte sie zum Portal hin, dessen hohe Doppeltür weit geöffnet war. Durch die braune Dämmerung des Flurs schimmerte eine offen stehende Eichentür als verschwommener Fleck. Auf der obersten Stufe der Treppe saß eine Katze in feierlicher Langweile. Die gelben Vorhänge der schmalen, fast bis auf den Boden gehenden Fenster waren zugezogen. Alles war wieder still. Charlotte seufzte. Ihre Hände lösten die Brustschleife des steifleinenen Kittels und banden sie wieder - unablässig. Eine schreckliche Unruhe hatte von ihr Besitz ergriffen. Sie spürte, dass diese Stille eine schlimme Bedeutung haben müsse.
Walter Burkard, Romanmanuskript

Ein unverbesserlicher Pazifist

Walter Burkard wurde am 10. 9. 1913 in Neuenhain im Taunus geboren. Während seine beiden Brüder das Metzgerhandwerk seines Vaters übernahmen, machte Walter Burkard Abitur und sollte nach Willen seiner sehr religiösen Mutter Priester werden. Seiner antifaschistischen Grundhaltung wegen erhielt er im Pass das Vermerk „politisch unzuverlässig“ und konnte das Studium der Philosophie, Kunstgeschichte, Literatur, Französisch nur beginnen, weil er – der unvermeidlichen Einziehung zuvorkommend – sich freiwillig als Soldat verpflichtete. Er erlebte das Grauen des Vernichtungskrieges gegen Russland und die Belagerung Leningrads als Soldat der Wehrmacht.  Nach dem Krieg arbeitete er als Journalist mit Eugen Kogon bei den Frankfurter Heften. 1947 heiratete er Hildegard Goldmann. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, Anna und Christiane. Um seine Familie zu ernähren, arbeitete er zunächst bei der Bahn, nahm dann aber sein Studium wieder auf und wurde Realschullehrer in Hofheim am Taunus. Seine Erfahrungen während Naziherrschaft und Krieg machten ihn – wie er es selbst ausdrückte- zu einem „unverbesserlichen Pazifisten“. 1955 beteiligte er sich an Demonstrationen gegen die Gründung der Bundeswehr. Er veröffentlichte Fabeln in der Frankfurter Rundschau, versuchte die Zeit des Faschismus literarisch in zahllosen Satiren und Fabeln („Nichts dazu gelernt“) zu verarbeiten, warnte, wann immer die Gelegenheit sich bot, vor Kriegstreiberei und politischem Radikalismus. Seine beiden umfangreicheren Werke, die Novelle „Der Gerber von Tours“ und der nun vorliegende Roman über Charlotte Corday und die Wirren der Französischen Revolution, sind Ausdruck der besonderen Nähe, die er Frankreich gegenüber empfand. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau 1984 verfiel er in einen Schaffensrausch, in dem 164  farbsprühende und meditativ anmutende Gemälde entstanden. Sein Roman „musste in den letzten beiden Jahren hinter der Leidenschaft zum Malen zurücktreten und so wartet das schriftstellerische Lebenswerk weiterhin im Verborgenen auf seine Entdeckung – zu lang, um von Verlagen angenommen zu werden, sollte es überarbeitet werden, wozu es leider nicht mehr kam.“*

1989 trat er eine langersehnte Reise nach Leningrad/Petersburg an, wo er am 9. März inmitten von Gemälden im Saal des Dionysos in der Eremitage einem Herzanfall erlag.

*  Hofheimer Zeitung vom 5.9.89 aus Anlass einer Gedenkveranstaltung

Veröffentlichungen

Für die Freiheit – Das Schicksal der Charlotte Corday

Mehr über
Für die Freiheit – Das Schicksal der Charlotte Corday