Willi – Ernstes und Heiteres aus dem Rheinland
Beinahe hätte ich etwas verpasst! Gerade als Adolf versuchte, sein Groß-Deutsches Reich zu verwirklichen, wurde ich geboren. Meinen Namen bekam ich von Kaiser Wilhelm, da beide Großväter unter dem Kaiser gedient hatten. Wäre ich zwei Jahre später geboren, hätte ich wahrscheinlich einen anderen Vornamen erhalten, vielleicht Adolf. Mit Hilfe meiner Großmutter väterlicher Seite kam ich 1937 zur Welt, und zwar genau da, wo ich gezeugt wurde: im Ehebett in der Oberdorfstraße Nr. 1 in Thomasberg.
Vater arbeitete als Schlosser bei den Lemmerzwerken in Königswinter und Mutter schneiderte zu Hause. Kurze Zeit später zogen meine Eltern um, nicht weit, nur 500 Meter die Oberdorfstraße aufwärts in eine Zweizimmerwohnung in der ersten Etage. An einem Sonntagvormittag im Juni 1942 ging Vater mit mir zum Dorfgasthaus Wicharz, um einen Krug Bier zu holen. Auf dem Rückweg begegneten wir dem Nachbarn, Herrn Dresbach.
Vater sagte zu ihm: „Mein Stellungsbefehl ist gekommen, morgen muss ich einrücken.“ Stellungsbefehl, mit diesem Wort konnte ich nichts anfangen, war es etwas Gutes oder Schlechtes? Es konnte etwas Schlechtes sein, denn Mutter hatte in den letzten Tagen öfter geweint. Am anderen Tag kam für mich die Erklärung. Vater, Mutter und ich gingen zu Fuß in den vier Kilometer entfernten Nachbarort zur Bahnstation. Von dort fuhr die Kleinbahn zur Hauptbahnlinie nach Siegburg. Vater trug einen Koffer, den ich nie zuvor gesehen hatte. Es war eine seltsame Stimmung, die ich bei den Eltern nicht kannte. Auf dem Weg zur Bahnstation sprach Vater kaum ein Wort, und Mutter versuchte die Tränen zu verbergen. Am Bahnhof angekommen, nahm mich Vater auf den Arm. Er erklärte, er werde verreisen und bald wieder zurück sein. Eine von vielen Familien verabschiedete sich. Vater, Mutter und Sohn eins, Tränen, Seufzen, Kinderweinen. Der Zug pfiff, Vater löste sich von uns, stieg in den Zug. Der Zug fuhr langsam an, Vater winkte, wir winkten zurück, so lange, bis er unseren Augen entschwand.
Wer einen echten Rheinländer sucht, findet ihn in Willi. Willi hat Charme und Witz in die Wiege gelegt bekommen und beides nicht verloren, obwohl er nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurde. Willi, ein Kind des Jahrgangs 1937, schildert seine Erlebnisse mit eigenen Worten: deftig und humorvoll.